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SO FUNKTIONIERT INTEGRATION - Wie eine Osnabrücker Wohngruppe mit Flüchtlingen lebt

Mehr als 200 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben Stadt und Landkreis Osnabrück 2015 in Obhut genommen. So viele wie nie zuvor. Einer davon ist der 17-jährige Abdul aus dem Sudan. Er lebt zusammen mit Jugendlichen einer heilpädagogisch-therapeutischen Wohngruppe in Osnabrück. Wir haben ihn einen Tag begleitet.

Abdul hat einen starken Willen. Den brauchte er auch zur Flucht aus Darfur. „Ich weiß, was ich will“, sagt er mit kräftiger Stimme und hat die Faust dabei fest entschlossen zur Faust geballt. Am wichtigsten war ihm, nicht mehr um sein Leben fürchten zu müssen, denn die Sicherheitslage in Darfur ist kritisch. Es gibt Kämpfe zwischen Rebellengruppen, dem sudanesischen Militär und von der Regierung unterstützten Milizen. In den vergangenen 13 Jahren ließen Hunderttausende ihr Leben. Rund zweieinhalb Millionen Menschen wurden vertrieben, Abdul war einer von ihnen. Neben seinen Eltern leben acht Brüder und zwei Schwestern noch dort. Seine Geschwister schmissen Geld zusammen, um ihm die Flucht zu ermöglichen. „Ich will Automechaniker werden. Später will ich Geld in den Sudan schicken, um zum Familieneinkommen beizutragen und meiner Familie etwas zurückzugeben.“

Nils hat Abdul zum Freund gewonnen

Abdul kann das, wenn auch mit Mühe und viel Geduld im Gespräch, bereits auf Deutsch sagen. Er besucht einen Deutschkurs im Berufsschulzentrum am Westerberg. Den 20-jährigen Nils aus seiner Wohngruppe hat Abdul, den hier alle nur bei seinem Spitznamen „Abdo“ rufen, bereits zum Freund gewonnen. Das überrascht nicht. Schließlich ist er es, der mit ihm zusammen die Deutsch-Hausaufgaben macht, ihm beim Schreiben und Lesen hilft, und so dazu beiträgt, sein Ziel zu erreichen. Er mag Nils auch, weil er noch etwas mit ihm gemein hat: „Er ist sehr ruhig“, sagt Abdul. Das ist bei den Jugendlichen im Haus am Schlehenbusch nicht unbedingt üblich. In seiner Gruppe wohnen männliche Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 15 bis 21 Jahren mit einer drohenden oder nachgewiesenen seelischen Behinderung bei häufig paralleler Lernstörung. In der Regel hat das Jugendamt sie dem Haus am Schlehenbusch zugewiesen. Minderjährige Flüchtlinge wie Abdul werden in Osnabrück und im Landkreis Wohngruppen wie dieser zugeteilt, wenn sie in der Erstaufnahmeeinrichtung als unbegleiteter minderjähriger Ausländer, kurz UMA, definiert werden. 

Abdul betet fünf Mal am Tag

„Die anderen hier sind im Vergleich zu Jugendlichen im Sudan lauter, hören laute Musik und sprechen mehr“, sagt Abdul, bleibt dabei aber stets diplomatisch und bittet Zimmernachbarn höflich, die Musik leiser zu machen, wenn er auf einem gen Mekka ausgerichteten Handtuch in seinem Zimmer beten will. „Das mache ich fünf Mal am Tag“, sagt er. In der Regel um 5 Uhr, 12 Uhr, 15 Uhr, 17 Uhr und 20 Uhr. Damit der gläubige Muslim seine Religion leben kann, geht er entsprechend früh ins Bett. Das kannten die anderen Jugendlichen bislang nicht. 

So lernt nicht nur Abdul von Nils, sondern auch Nils von Abdul. Die deutschen Jugendlichen lernen viel dazu, obwohl oder gerade weil sie nun mehr Rücksicht nehmen müssen. 

Neue Osnabrücker Zeitung - 06.01.2016 - Jean-Charles Fays 

Den ganzen Artikel können Sie hier lesen: http://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/655587/wie-eine-osnabrucker-wohngruppe-mit-fluchtlingen-lebt

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